Keine Angst vor der ersten Hundegeburt
Jeder erste eigene Hundewurf, jede erste Geburt, wird
für den Besitzer ohne Erfahrung immer eine nervenzermürbende Angelegenheit
bleiben. Hat er doch schon alles erfragt oder gelesen, so bleibt noch
immer die Angst, dass etwas schief gehen könnte. Wird er die Anzeichen
einer bevorstehenden Geburt richtig deuten können? Was ist, wenn der
errechnete Geburtstermin überschritten wird? Wie lange muss man warten,
bevor der erste Welpe kommt? Wann muss man Hilfe holen? Der Fragen
sind unzählige, und sehr leicht wird der Besitzer, der sich stolzer
Züchter nennen will, kopflos und macht immer wieder Fehler, die meistens
nur aus der übervorsichtigen Handlungsweise entstehen.
Der Decktermin sollte feststehen, und spätestens mit Beginn der 6.Trächtigkeitswoche
erkennt auch der Laie,
dass die Hündin aufgenommen hat. Der Leib beginnt sich zu runden und
von nun an geht es mit großen Schritten voran. Nach all den bangen
ersten Wochen und der immer wieder zweifelnd gestellten Frage "Hat
sie nun Welpen oder nicht?" tritt solange Ruhe ein, bis der 54.
Tag der Trächtigkeit erreicht ist. In der Regel werden Welpen um den
62. oder 63. Tag nach dem Decken geboren; aber da es auch Fälle geben
kann, in denen Welpen bereits früher kommen, beginnt nun der Anfänger
Nacht für Nacht mit dem Warten und Hoffen. Es könnte ja immerhin sein,
dass nun ausgerechnet seine Hündin auch schon am 56. Tag wirft, wer
weiß das?
Bald wagt er es nicht einmal mehr, das Haus zu verlassen, und jeder
neue Tag und jede weitere Nacht lässt die Wahrscheinlichkeit näher
rücken, dass nun doch vielleicht oder ... aber morgen bestimmt!
Dieses Warten und Bangen zusammen mit dem immer weniger werdenden Schlaf,
zerrt an den Nerven. Der Besitzer sollte sich ganz gemächlich zurücklehnen
und seine Kräfte aufsparen, denn auch seine Hündin wird ganz gewiss
nicht vor dem 61. Tag ihre Welpen bekommen. Alle gesunden Hunde, wenn
sie nicht ausgerechnet zu denen mit Geburtsschwierigkeiten behafteten
zählen (extremer Körperbau), bringen ihre Welpen selbständig zur Welt
und meistens auch sehr pünktlich. Wichtig zu wissen ist, dass Ruhe
und Geduld auch für die Hündin von Vorteil sind. Ein ständig aufgeregt
hin- und herlaufender Besitzer, der vielleicht noch alle zwei Stunden
die Temperatur der Hündin misst, weil er dies in einem schlauen Buch
gelesen hat, die Hündin alle drei Stunden ins Freie führt, weil er
auch das irgendwo gelesen hat, macht die Hündin nur ebenfalls nervös.
Die Wurfkiste oder das Wurflager steht bereit, aber es macht wenig
Sinn, wenn der Besitzer seiner Hündin auf Schritt und Tritt folgt,
wenn diese sich von ihrem Schlafplatz erhebt. Das Wurflager, am besten
mit lockeren Tüchern ausgelegt, damit die Hündin etwas zum Scharren
hat, sollte der Hündin angeboten werden, aber sie sollte nicht hineingezwungen
werden. Wenn die Zeit gekommen ist, wird die Hündin es von allein aussuchen,
oder auch nicht, aber dazu später mehr.
Woran erkennt der Hundehalter nun die bevorstehende Geburt und was
heißt "Es ist bald soweit"? Die Hündin wird sich auch in
der letzten Woche der Trächtigkeit völlig normal verhalten. Sie wird
einige Schwierigkeiten haben mit ihrem dicken Bauch noch ebenso elegant
aufs Sofa zu springen, sie wird auch häufiger schlafen, vielleicht
auch leise vor sich hin wimmern, aber das ist alles noch kein Grund,
in Panik zu geraten.
Die ersten äußerlichen Anzeichen erkennt man im Absinken der Früchte.
War der Leib der Hündin gestern noch rundherum dick, bemerkt der Besitzer
plötzlich, dass die Lendengegend eingefallen wirkt, während sich der
Bauch, einem Kartoffelsack ähnlich, nach "unten" hin noch
stärker rundet. Die Hündin ist dennoch guter Dinge, rennt und spielt
im Freien, ist zu allen Streichen aufgelegt, wenn der Besitzer sie
nicht fortwährend an ihren Zustand erinnert und hat unentwegt Hunger.
Es kann sein, dass die Läufe "dick" werden, es bildet sich
Wasser, was auch noch kein Grund zur Beunruhigung ist. In diesen recht
seltenen Fällen heißt es spazieren gehen, die Hündin bewegen.
Es kann auch sein, dass die Hündin zeitweilig beginnt, "bedrohlich"
zu hecheln und sich nicht mehr von ihrem Platz wegbewegen will. Dieser
Zustand kann Stunden andauern, und die erhofften Anzeichen verschwinden
wieder, und die werdende Mutter ist dann wieder völlig "normal".
Wenn die Lendenpartie eingefallen ist, und die Hündin sich schon zwischenzeitlich
für einige Stunden zurückzieht, vielleicht auch schon einmal ordentlich
hechelt oder sogar leise vor sich hin fiept, kann ungefähr mit der
Geburt in ein bis drei Tagen gerechnet werden, eher später als früher.
Nun ist jede Hündin anders, und das ist es auch, was den Neuling vor
ein Problem stellt. So haben ihm andere "Erfahrenere" bereits
die tollsten Sachen erzählt und sicher hundertprozentige Tipps erteilt,
wonach die Geburtsstunde fast auf die Minute genau vorhersehbar ist.
Alles Unfug! Keine Hündin reagiert wie eine andere, und selbst von
Wurf zu Wurf ist das Verhalten "vorher" nicht identisch.
Es heißt, die bevorstehende Geburt kündigt sich mit dem Unruhigwerden
der Hündin an. Das ist nur zum Teil richtig. Es gibt Hündinnen, die
bereits sechs Tage vor der Geburt zwischendurch rastlos erscheinen,
die keinen richtigen Platz mehr finden, die hier und dort scharren,
das Wurflager total zerwühlen. Andere beginnen den "Nestbau"
erst wenige Minuten(!) vor der Geburt, andere scheinen ihre Welpen
urplötzlich beim Fernsehen zu verlieren. Was soll der Anfänger nun
daraus für Konsequenzen ziehen?
Grundsätzlich alle Bücher, in denen irgend etwas über die Geburt steht,
wegschließen, sich mit irgendetwas anregend beschäftigen und sich ablenken.
Gerade in der Zeit der nahenden oder bevorstehenden Geburt bringt es
überhaupt nichts, sich noch einmal die entsprechende Lektüre zu Gemüte
zu führen, denn das macht nur noch unsicherer, weil viel zu viel von
Eventualitäten und Schwierigkeiten, vom Eingreifen und von tierärztlicher
Hilfe geschrieben steht und auch davon, dass Welpen ersticken können
usw. usf. Der Neuling sollte ruhig seinem Tierarzt ankündigen, daß
Welpen erwartet werden, aber in den meisten Fällen, wenn wirklich einmal
Hilfe nötig sein sollte, passiert das zu so einer ungünstigen Zeit,
wo ausgerechnet der eigene Tierarzt doch nicht "griffbereit"
ist. Er hat noch andere Patienten.
Eher günstig ist es, wenn der Anfänger sich einem wirklich erfahrenen
Züchter, der schon viele Geburten erlebt hat, anvertraut und diesen
um eventuelle Hilfestellung bittet. Im allgemeinen ist es ohnehin die
Beruhigung, die dem Anfänger am meisten fehlt.
Die Kontrolle der Körpertemperatur der Hündin ist kein Hilfsmittel.
Die normale Temperatur liegt bei ca. 38,5 Grad und sollte morgens und
abends gemessen werden. Ein Absinken auf 36,5 Grad lässt eine bevorstehende
Geburt näher einkreisen, aber auch das ist kein hundertprozentiges
Anzeichen.
Die Futterverweigerung kurz vor der Geburt trifft man bei vielen Hündinnen
an, aber dennoch, auch hier gibt es einige "Verfressene",
die noch etwa eine Stunde vor dem Einsetzen der Wehen annehmen.
Ganz sicher spannend wird die Angelegenheit, wenn die Hündin sich anfängt
sauber zu lecken und wirklich unruhig wird. Diese Unruhe kann sowohl
nach vorherigem stundenlangen Hin- und Herwandern und Scharren einsetzen
oder auch unvermittelt. Sobald die Hündin vermehrt leckt und beginnt
zu pressen, erst dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass eine Geburt
bevorsteht.
Unruhe heißt jetzt hektische Aktivität. Entweder drängt es die Hündin
jetzt ins Freie, und/oder sie versucht sich zu verkriechen oder schaut
hilfesuchend um sich, wirft sich herum, presst die Hinterläufe gegen
einen Widerstand oder rennt los, um sofort wieder "nachzuschauen",
was an ihrem hinteren Ende passiert.
Die Hündin sollte jetzt noch einmal ins Freie gelassen werden, aber
bitte angeleint, weil es Hündinnen lieben, sich auch draußen einen
geeigneten Platz zu suchen.
Die Sache mit dem vorbereiteten Wurflager kann unter Umständen zu Schwierigkeiten
führen. Hat die Hündin sich einen anderen Platz ausgesucht und die
Wehen haben bereits eingesetzt, wird sie penetrant versuchen, den Platz
durchzusetzen, den sie sich erkoren hat. Es ist deshalb ratsam, das
Wurflager als komfortablen aber konkurrenzlosen Ort anzubieten.
Der Besitzer sollte seine Hündin jetzt beruhigen und sie nicht noch
durch eigene Hektik nervös machen. Viele Hündinnen verlangen geradezu
danach und würden am liebsten ihren Menschen mit ins Wurflager nehmen.
Nur die vertrauten Menschen sollten anwesend sein. Keinesfalls sollten
unbekannte Neugierige ihrer Schaulust frönen.
Natürlich ist eine Geburt eine aufregende, interessante Sache, aber
die Hündin hat genug mit sich zu tun, und ihrem Besitzer, dass Fremde
wirklich nicht angesagt sind. Es gibt Fälle, in denen die Hündinnen
die Geburt verzögern oder unterbrechen, wenn zuviel Aufregung um sie
herum ist.
Der Besitzer hat jetzt wirklich nichts anderes zu tun, als auf die
Hündin beruhigend einzuwirken. Leicht gesagt, aber Ruhe ist die erste
Besitzerpflicht. Nach Einsetzen der Presswehen, die deutlich am Leib
der Hündin erkennbar sind und sich wellenartig schwanzwärts erstrecken,
kann es noch gut bis zu zwei Stunden dauern, bis der erste Welpe geboren
ist. Sobald die Hündin in regelmäßigen Abständen "drückt"
und sich allmählich Veränderungen erkennen lassen, der Welpe im Geburtskanal
steckt und in den Wehenpausen wieder verschwindet, ist alles normal.
Flüssigkeit, zuerst wässrig, später auch mit Blut angereichert, macht
die Geburtswege gleitfähig. Nach etlichen starken Presswehen zeigt
sich alsbald der schön in den Eihäuten "verpackte" Welpe,
der aber erst nach weiteren drei bis fünf kräftigen Austreibungswehen
komplett herausrutscht. Das zwischendurch hektische Lecken der Mutterhündin,
das Hin- und Herwerfen, Aufstehen und Hinlegen ist ebenfalls normal,
kann aber den Anfänger sehr irritieren. Wiederum gilt es, die Hündin
zu beruhigen, bis der erste Welpe ausgetrieben ist.
Der Anfänger sollte unbedingt darauf vorbereitet sein, dass die Hündin
beim ersten Welpen auch laut schreien kann.
Es gibt so genannte Anleitungen, in denen Geburtshilfe beschrieben
wird, das heißt hier werden Ratschläge erteilt, der Hündin zu helfen.
In etwa, dass der Besitzer den Welpen herausziehen soll.
Unsachgemäß ausgeführt werden der Hündin nur noch mehr unnötige Schmerzen
zugefügt. Man soll der Natur nicht ins Handwerk pfuschen, und der Neuling
kann sich schnell überschätzen.
Auch wird von Steißlagen gesprochen, die bereits als "Komplikation"
beschrieben werden. Bei Hunden sind Steißgeburten nichts Ungewöhnliches,
und es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge. Viel Angst wird damit
verbreitet, dass der Welpe ersticken kann, wenn die Hündin ihn nicht
schnell genug wirft. Das verursacht große Unsicherheit bei Anfängern,
die nicht genau die Dauer der Wehen kennen und noch nicht wissen, was
"normal" und was schon zu lange ist. Normal ist immer der
Geburtsvorgang, bei dem es voran geht.
Das heißt, nach Einsetzten der Presswehen, drei bis vier Intervalle,
die gefolgt werden von Wehenpausen, in denen sich die Hündin eifrig
beleckt oder auch "in sich gekehrt" wirkt, muss der Welpe
alsbald im Geburtskanal sitzen.
In der Regel ist der erste Welpe innerhalb von zwei Stunden geboren.
Damit ist der Besitzer bei der Hündin abgemeldet. Sie kümmert sich
jetzt intensiv um das Neugeborene, putzt und leckt es, nabelt es ab
und frisst die Eihüllen vollständig.
Der Besitzer hat auch jetzt nichts anderes zu tun, als die nass gewordenen
Laken oder Tücher auszuwechseln und beruhigt durchzuatmen. Die nachfolgenden
Welpen folgen dann in wesentlich kürzeren Abständen, manchmal ist die
Mutter noch mit dem Abnabeln des einen Welpen beschäftigt, während
der nächste schon wieder geboren ist. Die Zeitabstände zwischen den
Welpen können 20 bis 30 Minuten betragen, aber auch ein oder zwei Stunden
sind durchaus normal. Wenn die Hündin keine Wehen hat und sich mit
ihren bereits geborenen Welpen beschäftigt, diese immer wieder putzt
oder zwischendurch einen kleinen Erholungsschlaf einlegt, verläuft
die Geburt ohne Probleme. Der letzte Welpe kann am längsten auf sich
warten lassen.
90 Prozent aller Geburten verlaufen ohne Schwierigkeiten, sofern die
Rasse nicht für Dyskotie prädestiniert ist. Bei bestimmten breitschädeligen
oder Zwergrassen ist zweifellos ein Schwergeburtenrisiko vorhanden.
Bulldoggen und Boston Terrier haben zum Beispiel ein fünf- bis dreieinhalbfach
erhöhtes Risiko als andere Rassen. Hinzu kommt die Unfähigkeit beim
Abnabeln durch unharmonisches Kieferwachstum bei den brachyzephalen
Rassen (Kurzköpfigkeit).
Wehenschwäche ist anzunehmen, wenn eine Hündin an die 20 Presswehen
benötigt, um einen Welpen auszutreiben. Hier ist tierärztliche Hilfe
angezeigt.
Bei der "natürlichen" Hündin ist die Geburt ein völlig normaler
Vorgang, und die Hündin "weiß" von allein, was sie zu tun
hat. Dass der Anfänger verständlicherweise um seine Hündin und die
Welpen besonders besorgt ist, darf trotzdem nicht zu unsachgemäßen
Eingriffen führen. Es reicht ganz und gar aus, wenn sich der Besitzer
in der Nähe seiner Hündin aufhält, diese beobachtet, ihr in der ersten
Phase vor allem Zuspruch gibt und dann der Natur ihren Lauf lässt.
Auf diese Weise kann er sich viel mehr an dem aufregenden Ereignis
freuen, und er wird schnell erkennen, wie überflüssig er dabei ist.
Auch seine Hündin wird die Angelegenheit selbständig und komplikationslos
erledigen. Darauf sollte der Besitzer stolz sein.
Wann ist tierärztliche Hilfe angezeigt?
Wenn die Fruchtblase geplatzt ist, also grüne Flüssigkeit austritt,
und der Welpe zu lange und ungeschützt im Geburtsweg steckt und nicht
nach einer guten Viertelstunde ausgetrieben ist, sollte Hilfe geholt
werden.
Tierärztliche Hilfe ist unbedingt angezeigt, wenn trotz Abgang von
Gebärmutterschleim und sogar Fruchtwasser, die Geburt nicht vorangeht,
das heißt, dass die Presswehen ausbleiben.
Der Unerfahrene sollte auf keinen Fall mit Hausmittelchen oder unter
Zuhilfenahme entsprechender Lektüre sich selbst als Geburtshelfer versuchen.
Vor allem wird er nicht entscheiden können, ob wehenfördernde Mittel
ausreichen oder sogar ein Kaiserschnitt angezeigt ist.
Auch wenn sich Probleme anbahnen, heißt es Nerven behalten und nicht
panisch werden. Wie gesagt, bei allen "normalen" Hunden und
Hunderasse ist die Geburt ein natürlicher Vorgang, der zu 90 Prozent
aller Fälle ohne Schwierigkeiten abläuft.
Von Marianne Kiack-Knöfel
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